Eine Freundin von mir ist Comic-Zeichnerin und sitzt seit Jahren an ihrem großen Werk „Das leere Gefäß“. Jetzt ist es fertig, und hat mich zu ein paar Gedanken inspiriert.
Im Schlafzimmer meiner Eltern hing dieses Bild, das mir immer Unbehagen bereitete. Die betenden Hände. Heute weiß ich, dass es von Dürer stammt, und dass es eine Weile unter Katholiken sehr in Mode war, sich diesen Stich ins Haus zu holen. Mir machten diese Hände Angst. Diese dünnen, knorrigen Finger. Diese Perfektion, mit der die Handflächen und Finger aufeinander lagen. An schlimmsten aber fand ich es, dass es nur Hände waren. Losgelöst vom Körper, vom Kopf, vom Torso. Wem die Hände gehörten, sah man nicht. Und ich war mir sicher: Sie gehörten niemandem. Es waren Geisterhände. Die Addams Family kannte ich damals noch nicht, aber genauso stellte ich es mir vor: Dass die Hände sich nachts, oder wenn ich nicht hinsah, vom Bild lösen und diejenigen bestrafen, die gesündigt hatten.
Im Kommunionunterricht hat uns unser Pfarrer später beigebracht, wie man richtig betet. Seltsamerweise war ihm die Dürer-Variante, die gefalteten Hände, nicht genug. Die Finger mussten bei ihm ordentlich ineinandergreifen. Spannung musste da rein. Wenn ich ganz fest drückte, sah man das Weiße an den Stellen hervortreten, wo die Blutzufuhr unterbrochen war. Man musste ganz fest drücken, wenn man eine wichtige Bitte hatte.
Noch später, wenn in der Kirche etwas geschah oder gesagt wurde, mit dem ich mich unwohl fühlte, verschränkte ich meine Finger ganz bewusst in einer Art, die unser Pastor damals als falsch bezeichnet hatte. Niemand hat das je mitbekommen, diese stille Form des Protests. Die Hände ganz auseinandernehmen, meine Arme zu verschränken oder gar etwas zu sagen, traute ich mich nicht. Aber ich wusste, die Botschaft würde schon ankommen. Und fühlte mich stolz und schuldig zugleich.
Zuerst veröffentlicht via Facebook. Inspiration zu diesem Text und Illustration von Magdalena Kaszuba. Lest ihre neue Graphic Novel „Das leere Gefäß“!
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