„No Gays“ bei Marvel und DC – das war einmal. Batwoman, Catwoman, ja selbst der spröde Iceman, durften sich in den vergangenen Jahren mit dem gleichen Geschlecht austoben.
Eigentlich war die Sache zwischen Batman und Robin ja schon immer klar… Ganzkörperlatex, gemeinsames Bett, romantische Bootstouren? Holy Jitter Bugs! Aber jetzt knutscht das Boy Wonder fremd – und dann auch noch mit Superman! Und während der Mann aus Stahl bereits zum Gleitgelspender greift, kann die gehörnte Fledermaus nur frustriert durch’s Oberlicht zusehen.
Zugegeben: Die Chance, dass die Gallionsfiguren von DC ganz offiziell Körperflüssigkeiten austauschen, geht derzeit noch gegen Null. In diesem Fall war es der schwule Comic-Zeichner Ross Johnston, der seinem Kopfkino schlüpfrige Gestalt verlieh. Der mannshohe Fan-Fic(k)-Aufsteller ist Blickfang einer Ausstellung im Berliner Schwulen Museum*, die gleich mehrfach Grenzen überschreitet.
Mit Superqueeroes widmet sich wohl zum ersten Mal in Deutschland eine Ausstellung queeren Superhelden im Comic. Optisch wurde die Thematik treffend umgesetzt: Quietschgelbe Wände erwarten den Besucher, die Infotafeln kommen in Panel- und Sprechblasenoptik daher. Schnell wird allerdings klar, dass sich das >super< im Titel nicht nur auf weltenrettende Muskelmenschen bezieht. Anti- und Alltagshelden wie Konrad und Paul finden hier ebenso Platz wie jene Safer Sex Dudes und Stigma Fighter, die in den 80ern – mit dem sprichwörtlichen Holzhammer – zur Aufklärung über Aids beitragen sollten. Am spannendsten wird die Ausstellung jedoch, wenn die Kuratoren einen Blick hinter die Panels wagen. Natürlich ist Ralf König dabei, die große Ikone der (schwulen) Comic-Szene in Deutschland. Aber endlich einmal ›nur‹ in einer Nebenrolle, die Platz lässt für jene, im Mainstream eher unbekannten Pioniere, die schon queere Charaktere zeichneten, als dies noch geschäftsschädigend oder verboten war.
Moralin stößt sauer auf
Genau, verboten. Denn der moraltriefende Comics Code, zu dem sich US-amerikanische Comic-Verlage 1954 zu verpflichten gezwungen sahen, untersagte neben Nacktheit und vulgärer Sprache eben auch jedwede Darstellung von Homosexualität in Comics. Dass sich eine ähnliche Regelung (Code MG) ausgerechnet im katholischen Italien nicht durchsetzen konnte, lag vor allem an Diabolik. Die Serie der Schwestern Giussani scherte sich einen feuchten Dreck um Code und Moral. Anti-Helden-Charaktere rächten sich in den fumetti neri-Heften stellvertretend für alle Leser, die nicht der Norm entsprachen. Richtig queery wurden sie aber erst später in den fumetti erotici.
In Deutschland lag es am katholischen Volkswartbund, die ›Moral‹ hochzuhalten: Noch in den 1950ern wurde zu öffentlichen Comic-Verbrennungen geladen; für Jahrzehnte bestimmte moralinsaurer Stoff von Kauka das Angebot an den Kiosken. Man dachte diese Zeiten schon vorbei, als ein Oberstaatsanwalt 1996 (!) in einer Hauruckaktion das halbe Verlagssortiment von Ralf Königs Kondom des Grauens konfiszieren und eintausend Buchhandlungen in ganz Deutschland durchsuchen ließ.
Die Geschichte des queeren Comics im 20. Jahrhundert ist daher vor allem eine Geschichte des Untergrunds. Underground- Comix wie Gay Comix (1980-1998) und Wimmen’s Comix (1972-1992) wurden unter der Ladentheke und auf Fantreffen verteilt und pfiffen auf die Fesseln des Mainstreams – obwohl sie in Qualität, Auflage und Verbreitung quasi der Mainstream des queeren Undergrounds waren.
Coming-Out im Untergrund
Beispiel Rupert Kinnard. Der erfand 1979 den Brown Bomber. Er gilt heute als erster schwarzer, schwuler Superheld überhaupt und erschien hochoffiziell und erfolgreich in der Studentenzeitschrift einer renommierten US-Universität. Auf der anderen Seite des Geschlechts schickte Roberta Gregory 1976 Superdyke (»mindestens zweimal so stark wie eine ›gewöhnliche‹ Frau«) in den Kampf – zunächst allerdings nur gegen Handtaschendiebe und widerspenstige Möbelstücke. Vier Jahre zuvor hatte Trina Robbins das erste lesbische Coming- Out in einem Comic zu Papier gebracht – in der Geschichte Sandy Comes Out in Erstausgabe der Wimmen’s Comix. Um das Alltagsleben einer Gruppe lesbischer Frauen und ihrer Freunde geht es derweil in Alison Bechdels Dykes To Watch Out For (1983-2008), dem wohl langlebigsten Comicstrip seiner Art.
Während im Untergrund wild gevögelt werden durfte, ging das Outing der offiziellen Superhelden nur in Trippelschritten voran: Zwar wurde der Comic Code 1989 so weit gelockert (und 2011 abgeschafft), dass nun auch Geschichten mit homosexuellem Bezug erlaubt waren. Die großen Verlage Marvel und DC tasteten sich jedoch nur äußerst vorsichtig an die Thematik heran. 1992 wurde mit Northstar ein Marvel-Superheld aus der zweiten Reihe geoutet, musste mit seiner Hochzeit allerdings bis 2012 warten. Bei DC war man etwas mutiger: 2006 verkündete man, dass Batwoman von nun an lesbisch sein. Ein paar Jahre später folgten Catwoman und Harley Quinn, die seit 2015 ganz offiziell auf Männer und Frauen stehen dürfen.
Die Medienaufmerksamkeit, die solche Outings noch immer mit sich bringen, beweist allerdings auch eins: In der Normalität sind schwule und lesbische Superhelden noch immer nicht angekommen – vor allem dann nicht, wenn es sich um keine Neuschöpfungen handelt, sondern um jahrzehntealte, liebgewonnene Charaktere. Als Green Lantern kürzlich als schwul geoutet wurde, geschah dies nur in einem Paralleluniversum. Man fürchtete zu sehr, die eigenen Fans zu verschrecken.
Die Ausstellung SuperQueeros lief bis zum 26. Juni 2016 im Schwulen Museum*, Lützowstr. 73, Berlin. Kuratoren waren: Michael Bregel, Kevin Clarke, Hannes Hacke, Justin Hall, Markus Pfalzgraf, Mario Russo
Dieser Artikel ist zuerst in der Comixene im Frühjahr 2016 erschienen. Hier im Originallayout lesen!