Am Anfang war das Nichts. Am Anfang war der Ton. Glockenrein und hell empfängt er die Handvoll Menschen, die heute Zeuge von etwas Wunderbarem werden: Ein Universum wird geboren. Hier, mitten in Neukölln, mitten in diesem kleinen Raum an der Mainzer Straße 7.
Was wir sehen: Ein Klavier an der Wand, ein kleiner Sitzhocker davor, ein höherer daneben. An der Decke: eine Traube durchsichtiger Luftballons, kühle, blaue Lichtreflexe spiegeln sich auf ihrer Oberfläche. Ein roter Vorhang verdeckt eine Tür. Dahinter sichtbar der Schatten eines Menschen. Eine Frau. In Grau.
Gerade eben noch stand sie vor uns. Hielt das große, runde, milchig-weiße Ei in ihren Händen. Drückte es hoch und vor und hoch und wieder zurück. Schwangerschaftsgymnastik für ein Universum. Aber platzen wollte es nicht. Nein, ein Universum platzt nicht! Es prallt auf den Boden, ja, mag sich einen Wimpernschlag lang verformen. Doch die Delle bleibt nicht, springt zurück, zurück nach oben.
„Erzähl den anderen nichts davon, noch nicht“, sagt die Frau in Grau hinter dem Vorhang. Kennen wir ihr Geheimnis? Dechiffrieren wir den Code des Universums? Oder müssen wir ihn spüren, müssen in erlauschen mit Haut und Haaren?
Die Frau will spüren. Und taucht ein. Erntet die Traube, pflückt sie von der Decke und wird eins mit ihr. Ganz verschluckt ist sie nun. Nur noch Stimme. Und der Ton kitzelt die Membranen der Ballons. Aber das Kleid aus Luft ist nicht für die Ewigkeit gemacht. Es passt nicht mehr. Weg damit! Weg, nur weg! Nur: wohin?
Die Erde tut sich auf, verschluckt die Frau. Folgt mir nach, sagen ihre Augen. Folgt mir nach, ruft ihr Finger. Folgt mir nach, schreit die Stille. Und wir folgen. Und staunen.
Die Raupe hat sich entpuppt: Die Frau in Grau leuchtet, trägt Licht am ganzen Körper. Windpocken-Licht. Lichtpocken.
Herzlich willkommen, ihr Protonen und Neutronen, willkommen auf der Welt. Fiat Lux! Es werde Licht! Es werden Sterne! Es werde Masse. Und dann, endlich, endlich: Es werde Leben!
Aber noch sind wir nicht da. Noch heißt es nicht: Es werde Bewusstsein. Noch ist es zu jung dafür, das Universum, blutjung, Minuten jung. Der Mensch braucht noch Zeit.
Und die bekommt er: Da sind sie wieder, die Ballons, versteckt haben sie sich, aber die Frau aus Licht weiß, wo sie suchen muss. Weiß um den Schatz in ihrem Inneren, der fröhlich plätschert, sie aber auch am Wegfliegen hindert.
So tätschelt und hätschelt die Lichtmutter ihre Kinder, ertastet ihre Haut, manchmal zärtlicher, manchmal grober. Und dann juchzen sie und kreischen unter den Händen der Mutter – so laut bisweilen, dass es in den Ohren schmerzt.
Wir sind da. Ich bin da. Cogito ergo sum.
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