Langohrigel und Krötenkopfagame: Jäger und Gejagte im goldenen Sand

Wer in der Sanddüne von Sarikum überleben will, muss gut zu Fuß sein: Ein Klacks für den Langohrigel (Hemiechinus auritus) und die Krötenkopfagame (Phrynocephalus luteoguttatus).

Gemächlich, vielleicht sogar ein wenig träge. So lümmelt sich Gevatter Igel gewöhnlich durch die Vorgärten Westeuropas. Der Langohrigel (Hemiechinus auritus), sein stachliger Cousin aus dem Nordkaukasus, beginnt den Tag dagegen mit einem Sprint: Schließlich lässt es sich in den kühlen Morgenstunden, wenn die Sonne gerade erst über der Sanddüne von Sarikum aufgegangen ist, vorzüglich jagen. Nicht nur die flinke Heuschrecke muss dann um Leib und Leben hüpfen.

Zugegeben, auf den ersten Blick mutet der stachlige Dünenbewohner schon etwas seltsam an – fast so, als hätten Fuchs und Igel eine gemeinsame Liebesnacht verbracht. Allein die dürren Beine: Wie Stelzen ragen sie unter dem gedrungenen Körper des Tieres hervor. Ebenso markant die übergroßen Ohren, denen der Säuger seinen Namen verdankt: Bis zu vier Zentimeter Länge können sie erreichen – mehr als die Hälfte des Kopfes. Mit ihnen leitet das Tier überschüssige Körperwärme an die Umgebung ab – eine wichtige evolutionäre Anpassung an das Leben in Wüsten und Steppen.     

Langohrigel
Langohrigel: © Hannes Grobe/AWI / CC BY-SA 3.0

Der große Lauschangriff

Gepaart mit einem feinen Geruchssinn machen die überproportional großen Ohren und Beine den Langohrigel zu einem vorzüglichen Jäger. Bis zu neun Kilometer legt ein Tier auf seinen bevorzugt nächtlichen Beutezügen zurück – ein wahrer Ausdauerläufer. Erst wenn sich das Opfer in Sichtweite befindet, schaltet der Wüsten-Meckie einen Gang zurück. Langsam und vorsichtig pirscht er sich an seine Beute heran – um dann blitzschnell zuzuschlagen. Vornehmlich unvorsichtige Insekten und Wirbellose landen so zwischen seinen spitzen Zähnen. Und wenn der flinke Jäger – knirsch, knarsch – den Chitinpanzer des unglücklichen Opfers zwischen seinen Kauwerkzeugen zermalmt und die dürren Beinchen leblos aus seinem Maul hängen, erinnert er wieder an das rotpelzige Raubtier aus heimischen Gefilden

Seine Ausdauer und Wendigkeit kommen dem Langohrigel übrigens genauso zugute, wenn er selbst auf der Speisekarte steht: Natürlich könnte sich das Tier artgerecht in eine stachelige Kugel zusammenrollen und abwarten. Doch der Wüstenigel zieht eine aktive Defensivtaktik vor: Um sich schnellstmöglich aus der Gefahrenzone zu entfernen, nimmt er einfach die Beine in die Hand und saust seinen Verfolgern davon.

Krötenkopfagame
Krötenkopfagame, hier Phrynocephalus mystaceus: ©Antoshin Konstantin / CC BY-SA 3.0

Reptil auf Tauchstation

Auch die Krötenkopfagame (Phrynocephalus luteoguttatus,Fotos), ein weiterer Bewohner der Sanddüne von Sarikum, benutzt ihre flinken Füße, um sich vor Fressfeinden in Sicherheit zu bringen. Bei Gefahr in Sicht tritt das Reptil einfach so lange auf der Stelle, bis es seinen Körper vollständig im Sand eingegraben hat. Nur der Kopf lugt dann noch aus dem Sandmeer hervor. Und der erinnert – wie könnte es auch anders sein – an eine Kröte.   

Für eine persönliche Begegnung zwischen Krötenkopfagame und Langohrigel stehen die Chancen allerdings schlecht. Während sich der nachtaktive Säuger in der Tageshitze lieber in seinen selbstgegrabenen Sandbau zurückzieht, ist die Agame ein wahrer Sonnenanbeter. Eine Wahl hat sie nicht: Wie alle Reptilien können Krötenkopfagame keine Eigenwärme speichern und benötigen die Sonne, um ihre Körpertemperatur hoch zu halten.

Stören dürfte es beide Tiere weniger. Krötenkopfagame und Langohrigel sind überzeugte Einzelgänger und freuen sich über Gesellschaft nur, wenn die Paarungszeit ansteht. Dann aber richtig.


Ursprünglich geschrieben 2010 als textliche Begleitung für die Geo.de-Tierwelt-Reihe (leider längst offline). Das Video zum Langohrigel und der Krötenkopfagame lässt sich aktuell aber noch über Focus Online abrufen.


Abbildung: Goldfuss, Georg August; Schreber, Johann Christian Daniel; Wagner, Andreas Johann

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