Mit ihren grazilen Namensvettern hat die Saiga-Antilope (Saiga tatarica) nur wenig Ähnlichkeit. Ihre markante, rüsselartige Nase dient dem Tier als praktischer Luftfilter in der staubigen Wüste.
In den weiten Steppen der kaspischen Senke nördlich des Kaukasus lebt ein Botschafter längst vergangener Zeiten: die Saiga-Antilope (Saiga tatarica). Während der letzten Eiszeit durchzogen die Tiere noch in Massen die Kältesteppen Europas und Asiens. Heute ist ihre Art dagegen vom Aussterben bedroht, von über 1,2 Millionen Exemplaren in den 1970ern leben weltweit nur noch 50.000.
Trotz ihres Namens gleicht die Saiga-Antilope körperlich eher einem kleinen Schaf als einer Antilope: Ausgewachsene Tiere haben eine Schulterhöhe von 60 bis 80 Zentimetern und können eine Körperlänge von bis zu eineinhalb Metern erreichen. Männliche Exemplare tragen geriffelte Hörner, die 20 bis 55 Zentimeter in die Höhe ragen und in einer schwarzen Spitze enden.
Ein ganz besonderes Antilopen-Näschen
Markantestes Merkmal von Saiga tatarica ist ihre rüsselartige Nase, ein aufgeblähtes, fleischiges Organ, das bis über das Maul des Tieres hinaus ragt. Die vergrößerten Nasenöffnungen sind dicht mit Haaren und Schleimdrüsen versehen. Über Sinn und Zweck dieses „Rüssels“ wird unter Biologen noch gestritten: Einige glauben, dass dessen besondere Morphologie für den guten Geruchssinn des Tieres verantwortlich ist. Andere stellten dagegen die Hypothese auf, dass so das Blut der Saigas vor Überhitzung geschützt wird. Am weitesten verbreitet ist eine andere Theorie: In der rüsselartigen Nase werden Staubpartikel gefiltert, das schützt die Lungen. Im Winter dient das Riechorgan gleichsam als „Heizung“, die die eisige Steppenluft aufwärmt und befeuchtet.
Saigas sind Herdentiere, die offene Lebensräume wie Steppen oder Halbwüsten bevorzugen. Häufig legen die Tiere in Gruppen mit bis zu 1000 Individuen mehrere Dutzende Kilometer am Tag zurück – stets auf der Suche nach neuen Grasflächen, der Hauptfutterquelle der Pflanzenfresser. Brechen die Saigas zu ihren südlich gelegenen Winterquartieren auf, können es gar 80 bis 120 Kilometer täglich werden. Ihre Beine dienen den Fluchttieren auch zur Verteidigung gegen ihre größten Fressfeinde, die Wölfe. Nähert sich ein Tier, suchen die Saigas mit bis zu 80 Stundenkilometern das Weite.
Hörner mit potenzsteigernder Wirkung
Der größte Feind der Saiga bewegt sich allerdings auf zwei Beinen: Schon Anfang des 20. Jahrhunderts standen die Tiere kurz vor ihrer Ausrottung durch menschliche Jäger. Strikte Schutzmaßnahmen in der Sowjetunion ließen die Bestände in den folgenden Jahrzehnten wieder erstarken. Doch mit dem Zusammenbruch des Ostblocks wiederholte sich das Spiel erneut. Heute sind die Säuger in Russland wieder stark gefährdet.
Ihr besonderes Näschen hat damit allerdings weniger zu tun: Scharf sind die Wilderer stattdessen auf das Horn des Männchens. Pulverisiert dient es in der traditionellen chinesischen Medizin als Mittel gegen Fieber und Schlaganfälle. Angeblich soll es sogar potenzsteigernde Wirkung entfalten.
Männermangel bei den Saigas
Da vornehmlich männliche Exemplare gejagt werden, herrscht in den Saiga-Herden regelmäßig akuter Männermangel. Gelegentlich kann es sogar vorkommen, dass sich das Paarungsverhalten der Saigas in der Brunftzeit völlig umkehrt. Dann streiten plötzlich die Weibchen untereinander um die verbliebenen Geschlechtspartner. Wer verliert, bleibt unbefruchtet. Doch selbst wenn die Saiga-Herden vom Menschen nicht behelligt werden, überleben 80 bis 90 Prozent der Männchen die Brunftzeit nicht. Entweder verletzen sich die Tiere in den wilden Paarungskämpfen tödlich – oder sie sind hinterher derart geschwächt, dass sie Fressfeinden nicht mehr davonlaufen können.
Ursprünglich geschrieben 2010 als textliche Begleitung für die Geo.de-Tierwelt-Reihe (leider längst offline). Das Video zur Saiga-Antilope lässt sich aktuell aber noch über Focus Online abrufen.
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