Bronies: Männer, die auf Ponys starren

Erwachsene Männer, die eine Zeichentrickserie über magische Ponys verehren? Bronies pfeifen auf Geschlechterklischees – und finden sich selbst in der US-Armee. Ich habe den Stammtisch der Hamburger Pferdefreunde besucht.

Bierhumpen klirren, Fäuste krachen aneinander. Mit einem kehligen „Bro-hoooooof“ begrüßt Marjan seine Kumpels am Stammtisch – und für einen Moment fühlt man sich in die tiefste Bronx versetzt. Dann greift der 23-Jährige in seine Tasche und holt eine kleine Plastikfigur hervor: Vier Beine, lange Schnauze, rosa Fell, lila-pinker Schweif. Ein Pony. Genauer gesagt, ein Pony mit einem Horn auf der Stirn. „Twilight Sparkle“, klärt Marjan auf, Hauptcharakter der US-Zeichentrickserie „My little Pony – Friendship is magic“ (MLP).

Marjan ist Werbekaufmann, Musiker – und überzeugter „Bronie“. Unter diesem Begriff, zusammengesetzt aus den englischen Worten „brother“ und „pony“, hat sich innerhalb der vergangenen zwei Jahre eine Fanszene entwickelt, die Ihresgleichen sucht: Denn der Großteil der MLP-Fans, egal ob in Übersee oder hierzulande, besteht aus männlichen, jungen Erwachsenen.

Erwachsene Männer, die eine Serie über magische Ponys und den Wert der Freundschaft abfeiern? „Klingt auf den ersten Blick schon seltsam“, gesteht Marjan, den der Zufall – ein unbedachter Klick auf Youtube – über den Cartoon stolpern ließ: „Aber der Animationsstil hat mir so gut gefallen, da hab ich der Serie eine Chance gegeben.“ Kurze Zeit später hatten ihn die Huftiere mit Niedlichkeitsfaktor zehn in ihren Bann gezogen: „Charaktere, Story und Humor passen einfach toll zusammen. Man merkt, dass die Macher ihre Show gerne produzieren.“

Wenn ich etwas wirklich gut finde, steigere ich mich halt hinein.

1000 Euro hat er bereits für Fanartikel ausgegeben. T-Shirt, Handyschale, Armbänder – wohin man auch blickt, schaut „Cloudchaser“, Marjans Lieblingspony, zurück. „Wenn ich etwas wirklich gut finde, steigere ich mich halt hinein“, sagt er achselzuckend – und es klingt keinen Deut entschuldigend. Zweieinhalb Stunden Autofahrt nimmt der Oldenburger jeden Monat auf sich, um in einer Hamburger Bar Gleichgesinnte zu treffen. Und die kommen zuhauf: Mit über 50 Männern und einigen Frauen ist die Taverne „Zum tanzenden Einhorn“ auch im August wieder rappelvoll.“

Die Serie schweißt Leute mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammen“, sagt Marjan und verweist auf das größte deutsche „Bronie“-Forum mit mehr als 3500 registrierten Nutzern. „Online oder real – bei uns gibt keinen Stress, jeder kann sein, wie er will.“ Sprach’s und prostet einem Fan in Mittelalter-Kluft zu. Und wenn dem jungen Pferdefreund doch einmal jemand dumm kommt? „Dann kriegt der halt n Spruch gedrückt: ‚Ich verdien‘ mehr Geld als ihr und trag‘ Ponys auf der Jacke – was dagegen?'“


Erschienen in der Unicum-Sonderausgabe Uniking im November 2012 als Teil der Reihe „Echte Kerle?!“ (PDF) und auf stern.de, am 21.11.2012

Hinter den Kulissen

„Wann ist der Mann ein Mann“, fragte sich Herr Grönemeyer schon 1984 herrlich selbstironisch. Dreißig Jahre später scheinen wir einen großen Schritt zurück gegangen zu sein. In aktuellen Männer- und Frauenmagazinen werden Rollenklischees aus den 50ern neu aufgewärmt. Und wenn irgendetwas den aktuellen Debatten um Mann und Frau fehlt, dann ist es sicher nicht Vehemenz, sondern manchmal ein wenig mehr Selbstironie.

Ehrlich gesagt: Das Konzept einer nach Geschlechtern getrennten Uni-Wundertüte mit speziellen auf Sie und Ihn ausgerichteten Magazinen, finde ich bis heute nicht so pralle.

Aber was, wenn man gerade in Heften, die sonst vor Testosteron nur so triefen, Artikel veröffentlichen kann, die die Klischees auf den Kopf stellen und sich nicht billig über ihre Protagonisten lustig machen? Das wiederum fand ich eine ziemlich gute Idee!

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