Tagsüber arbeitet Kamineo im Labor, nachts zeichnet sie Manga. Ich habe mit der 30-jährigen Leverkusenerin im Labor, über ihren Arbeitsalltag, Frauen in der Szene und ihr neustes Werk gesprochen.
Wofür steht dein Künstlername Kamineo?
Ich wünschte, ich könnte mit einer gut durchdachten Überlegung aufwarten – aber nein. Der Name war einfach nur eine Zusammenstellung aus mehreren Charakternamen, die ich vor etwa 15 Jahren für ein Gruppenprojekt benutzt hatte. Irgendwie ist der Name dann an mir haften geblieben.
Wann hast du angefangen, Comics/Manga zu zeichnen?
Die ersten Mangaseiten, die ich von mir finden konnte, sind von 2004. Ich erinnere mich noch, dass ich eigentlich nie den Elan hatte, eine komplette Geschichte zu zeichnen, weil ich der Meinung war, dass mir so etwas nicht liegt. Eine Freundin hatte mich dazu überredet, ihre geschriebene Story für sie umzusetzen. Rückwirkend betrachtet war es wohl eine gute Sache, dass ich mich damals habe bequatschen lassen.
Gibt es bestimmte Themen, die du am liebsten behandelst?
Es gibt viele Themen die ich gerne in meine Geschichten einbringe und noch viel mehr, die ich gerne noch behandeln würde. Aktuell arbeite ich hauptsächlich mit den Themen Criminal/Mystery/Fantasy und fühle mich in dem Bereich auch sehr wohl. Das Thema Boyslove taucht hingegen bei mir so gut wie immer mit auf. Ich würde nicht mal unbedingt behaupten, dass es ein Lieblingsthema wäre, es ist einfach da und gehört irgendwie zu meinen Arbeiten dazu.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag für dich aus?
Einen normalen Arbeitstag habe ich wohl eher nicht. Feste Arbeitszeiten habe ich z.B. generell nicht, auch nicht in meinem „normalen“ Tagesjob. Das erfordert ein Maximum an Flexibilität und manchmal ganz schön viele Nerven. Meistens läuft es aber darauf hinaus, dass ich tagsüber im Büro bin und nachts zeichne. Gelegentlich sitze ich auch mit meinen ganzen Arbeitsmaterialien in meinem heimischen Lieblingscafé, wann immer es die Zeit zulässt. Mein „externes Heimbüro“ sozusagen.
Die unheimlichen Fälle des FBI
Kannst du uns kurz erzählen, worum es in deinem neuen Manga geht?
Im Fokus der Geschichte steht J, ein FBI-Agent, der recht speziellen Fällen nachgeht. Sobald ein Verbrechen den Anschein hat, das möglicherweise nicht-menschliche Kräfte am Werk waren, macht er sich an die Arbeit. Unterstützung erhält er dabei von seiner neuen Partnerin Ace – die er eigentlich gar nicht haben wollte, aber doch schnell zu schätzen lernt – und von Sky, der ihm inoffiziell und bestenfalls semi-legal alle Informationen verschafft, die er braucht. Dieser Unterstützung hat er auch bitter nötig, denn sein Job ist alles andere als einfach und dass das Wort „Wahrheit“ für die meisten ein relativer Begriff zu sein scheint, macht es auch nicht besser.
Ein Agent, der mit seiner neuen Partnerin paranormalen Grenzfällen des FBI nachgeht – da muss man unweigerlich an Mulder und Scully denken. Wie viel „Akte X“ steckt in „Lupus in Fabula“?
Nicht ganz so viel wie man meinen möchte, obwohl ich behaupten möchte, dass die Dynamik zwischen den Hauptcharakteren gar nicht so unähnlich ist. Ich kann aber ruhigen Gewissens sagen, dass in Lupus keine Aliens vorkommen.
Wie lange hat es bei „Lupus in Fabula“ von der Idee bis zur Fertigstellung gedauert?
Da die ersten Ideen zu dem Projekt schon sehr früh und stückchenweise entstanden sind, lässt sich das sehr schwer sagen. Aber ab dem Zeitpunkt, an dem ich angefangen habe, ernsthaft an dem Konzept zu arbeiten, bis zur Abgabe des letzten Bandes, kämen wir auf eine Zeitspanne von ca. 2 1/2 Jahren, wobei auf die technische Ausarbeitung pro Band etwa 5-6 Monate entfallen.
Würdest du sagen, du zeichnest Comics speziell für Frauen? Sollte es da überhaupt eine Unterteilung geben?
Absolut nicht. Genre-bedingt ist die Frauenquote in meiner Leserschaft natürlich sehr hoch, aber sie sind nicht direkt meine anvisierte Zielgruppe. Ich finde eine Unterteilung auch nicht besonders sinnvoll, da letztendlich der persönliche Geschmack geschlechterunabhängig ist.
Die Comicszene in der Vergangenheit war ziemlich männlich geprägt, Zeichnerinnen gab es nur wenige. Spürst du da eine Veränderung – oder ist es immer noch etwas schwieriger als Zeichnerin zu arbeiten?
Da ich mehr in der Mangaszene arbeite (wobei ich normalerweise gegen eine begriffliche Trennung bin), kann ich dazu wenig sagen, da diese im Gegensatz zur Comicszene sehr deutlich weiblich geprägt ist. Allerdings habe ich schon das Gefühl, dass mittlerweile Frauen in der Comicszene zwar noch in der Minderheit, aber durchaus erfolgreich und etabliert sind.
Comics – „Opium der Kinderstube“?
Mit diesem Titel leitete der Spiegel 1951 einen Artikel über Comics ein. Ja, die Bildergeschichten mit den Sprechblasen hatten es nicht leicht in der jungen Bundesrepublik. Eltern fürchteten die Verdummung ihrer Kinder, selbsternannte Sittenwächter riefen öffentlich zu Verbrennungsaktionen der „Schundliteratur“ auf.
Zum Glück sind jene Zeiten, in denen Comics in Deutschland auf dem Scheiterhaufen landeten, längst vorbei. Doch einige Klischees halten sich hartnäckig, auch weil in beliebten TV-Serien wie den „Simpsons“ und „Big Bang Theory“ gern damit gespielt wird. Ein ganz großes: Comics seien nur etwas für nerdige Jungs mit Sozialproblemen.
Zugegeben – noch bis vor wenigen Jahren war die deutschsprachige Szene eine männerdominierte Welt. Aber spätestens seitdem die Manga-Welle aus Japan herübergeschwappt sind, hat sich etwas verändert. Weibliche Neu-Leser sind hinzugekommen, viele zeichnen mittlerweile selbst. Und auch der klassische Comic hat sich geöffnet – nicht zuletzt dank Pionieren wie Alison Bechdel, Anke Feuchtenberger und Ulli Lust.
Diese Öffnung der Szene macht sich auch in den Comicläden bemerkbar. Mit dem jährlich stattfindenden Gratis-Comic-Tag sollen nicht nur Fans und Profis der Sprechblasen angesprochen werden, sondern gerade jene Menschen, die grundsätzlich neugierig sind, sich bislang noch nicht in einen Comicladen getraut haben.
Der Gratis-Comic-Tag
Seit 2010 öffnen Comichändler in Deutschland, Österreich und der Schweiz am zweiten Samstag im Mai ihre Läden und verschenken Comics. Das können exklusive Ausgaben sein oder Leseproben aus bekannten Serien. Aus 34 Heften können die Besucher in diesem Jahr am 14. Mai wählen – darunter finden sich auch bekannte Comichelden wie Donald Duck, Lucky Luke und Garfield. Von Zeichnerinnen stammen in diesem Jahr allerdings nur drei Comics: „Das Liberi Projekt“ von Tamasaburo, „Lupus in Fabula“ von Kamineo und eine „Avatar – Der Herr der Elemente“-Geschichte der US-Zeichnerin Carla Speed McNeil. An ausgewählten Orten finden zudem verschiedene Aktionen wie Zeichenwettbewerbe und Cosplay statt. Mehr Informationen: www.gratiscomictag.de
Dieses Interview ist ursprünglich 2016 auf laviva.com erschienen.