Der Mann, der die Bibel ins Plattdeutsche übersetzte – und wegwarf

Seit 20 Jahren übersetzt Johannes Harwerth die täglichen Lesungstexte ins Osnabrücker Platt. Kaufen kann man das Werk des 84-Jährigen allerdings nicht. Die Ergebnisse seiner Arbeit wirft er nach Gebrauch weg.

Ein ganz normaler Montagabend in Georgsmarienhütte: Die meisten Einwohner des niedersächsischen Städtchens haben gegessen und wenden sich dem Fernsehgerät zu. Günther Jauch lädt mal wieder zum Millionengewinn ein, in der ARD beendet Jörg Kachelmann seine Wettervorhersage. Etwas ungewöhnlicher geht es in einem kleinen Haus an der Berliner Straße zu.

Johannes Harwerth sitzt konzentriert an seinem Schreibtisch, den Kopf über eine Ausgabe des Neuen Testaments gebeugt. Die Apostelgeschichte liegt aufgeschlagen, Kapitel 15, Vers 1-6. Gelegentlich hebt er seinen Kopf, die Denkerfalten auf seiner Stirn entspannen sich und ein verschmitztes Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. Dann spannt der 84-jährige ehemalige Lehrer einen Bogen Din-A4-Papier in seine mechanische Schreibmaschine und beginnt – Buchstabe für Buchstabe – den hochdeutschen Lesungstext ins Osnabrücker Platt zu übersetzen. Johannes Harwerth bereitet sich auf den morgigen Gottesdienst vor.

Seit 20 Jahren ein täglicher Gast im Gottesdienst

„Es ist eine ganz hervorragende Sache, Lesung und Evangelium vorab gesehen zu haben“, erklärt der Rentner, der seit seiner Pensionierung vor zwanzig Jahren ein täglicher Gast im Gottesdienst der Herz-Jesu-Gemeinde geworden ist. Der wichtigste Teil seiner Vorbereitung ist die Übersetzung ins Plattdeutsche. „Die Plattdeutsche Sprache besitzt so viele schöne Ausdrücke, die man auf Hochdeutsch nie gebrauchen würde“, erklärt Harwerth, warum ihn die lokale Mundart so fasziniert

Natürlich gehe es bei seiner freien Übersetzung durchaus etwas derber und deftiger zu, als es die Ohren des durchschnittlichen Kirchenbesuchers gewohnt seien: „Wenn man den Leuten heute einige Ausdrücke erzählt, dann lachen die den ganzen Tag.“ Auch Harwerth kann so manches Mal ein Schmunzeln kaum unterdrücken, wenn er während der Lesung im Gottesdienst an seine plattdeutsche Variante denkt.

Professionell übersetzen? Nein, danke!

„Die abendliche Übersetzung ist sozusagen mein Hobby geworden,“ erläutert der 84-Jährige. Professionell zu übersetzen – das möchte er lieber der jüngeren Generation überlassen. Versucht hat es der pensionierte Lehrer trotzdem einmal. Vor einigen Jahren trat der Osnabrücker Monsignore Johann J. Meyer an Harwerth mit der Bitte heran, ein Neues Testament in Osnabrücker Platt zu schreiben. „Ein paar Abende hab ich mich dann tatsächlich an den Markus herangesetzt“, erinnert er sich und seufzt laut hörbar, „Eine Heidenarbeit!“ Nach einer halben Schreibmaschinenseite und 19 Tippfehlern dann die Resignation. „Im Plattdeutschen geht es ja auch mehr um das gesagte Wort“, kommentiert Harwerth ironisch diesen kurzen Ausflug ins professionelle Metier.

Sein Respekt vor den Autoren plattdeutscher Werke ist dadurch nur gewachsen. Insbesondere Karl-Erwin Schade, der 2003 das Neue Testament in Holsteiner Platt herausgebracht hat, nimmt Harwerth bei eigenen Übersetzungen stets gern zur Hand: „Wenn mir einmal die passenden Begriffe nicht einfallen.“

Erst auf der höheren Schule Hochdeutsch gelernt

Ein wenig schade findet es der „Bauernjunge aus Glandorf“, wie sich Harwerth selbst nennt, dass die Plattdeutsche Sprache langsam aber sicher aus den Köpfen der Menschen verschwinde. „Mit meiner Frau habe ich früher nur Plattdeutsch gesprochen“, sagt der 84-Jährige, der selbst erst auf der höheren Schule korrektes Hochdeutsch gelernt hat. Seine Tochter, mit der Harwerth das Haus an der Berliner Straße bewohnt, verstehe immerhin noch Platt. „Sprechen kann sie es allerdings auch nicht mehr,“ bedauert er und setzt nach kurzem Grübeln hinzu: „Eine Sprache muss doch gebraucht werden, sonst verschwindet sie.“Für den Kirchenboten hat sich Harwerth ein weiteres Mal an seine Schreibmaschine begeben, um einen kleinen Beitrag gegen dieses Vergessen zu leisten (siehe unten).

Ein wenig schade findet es der „Bauernjunge aus Glandorf“, wie sich Harwerth gerne selbst nennt, dass die Plattdeutsche Sprache langsam aber sicher aus den Köpfen der Menschen verschwinde. „Mit meiner Frau habe ich früher nur Plattdeutsch gesprochen“, erinnert der 84-Jährige, der selbst erst auf der höheren Schule korrektes Hochdeutsch gelernt hat. Seine Tochter, mit der Harwerth das Haus an der Berliner Straße bewohnt, verstehe immerhin noch Platt. „Sprechen kann sie es allerdings auch nicht mehr,“ bedauert der Rentner und setzt nach kurzem Grübeln hinzu: „Eine Sprache muss doch gebraucht werden, sonst verschwindet sie.“

Für den Kirchenboten hat sich Harwerth ein weiteres Mal an seine Schreibmaschine begeben, um einen kleinen Beitrag gegen dieses Vergessen zu leisten, mit einem Teil aus dem Matthäusevangelium in Glaneruper Mundoart:

To de Tiet os Jesus up Erden liävere segg he to siene Jünger: Nich jeder de to mi segg Herr, Herr, kann to mi int Himmelriek kuomen, sonern blos dejenigen de den Willen von mienen Vader auk doet. Viele willt an den besoneren Dag to mi seggen, sind wi nich in dienen Namen os Propheten uptriän un häw wi nich mit dienen Namen viele Wunner fulbracht?

Dann will ick de Antwort gieben: Ick kenne ju nich. Ji üvertriät dat Gesetz. Wecke düsse miene Wörter hört un auk donach hannelt is os een kloken Mann, de sien Huus up Felsen bowet häff. Os nu een Wolkenbruch keim met ne graute Waterfloot un os de Sturm brakere un an dat Huus reit, do storre et nich in weil et up Felsen bowet was.

Wenn nu eener miene Wörter hört un nich donach hannelt, so is he os een unvernünftigen Mann de sien Huus up Sand bowet heff. Os nu eenmol de Wolkenbruch met Sturm un eene graute Waterfloot herankeimen un de Sturm immer wilder an dat Huus reit, do storre dat Huus in un was in kuorter Tied total kaputt. (Mt. 7,21-27)


Dieser Artikel ist am 29. Mai 2005 im Kirchenboten des Bistums Osnabrück erschienen.

Leave A Reply

Navigate