Ein leuchtendes Beispiel

Mal eben schnell eine Glühbirne besorgen? Das war einmal.

Neulich schlenderte ich mit einer Freundin durch einen Baumarkt in Neukölln. Die Glühbirne in ihrer WG-Küche hatte ihren Wolframdraht aufgegeben, jetzt wollte meine Freundin sich schnell eine neue besorgen. Die Abteilung „Leuchtmittel“ befand sich im ersten Stock, eine Rolltreppe trug unsere müden Körper surrend hinauf. „Hier sind sie schon“, sagte meine Freundin und zeigte auf einen Restpostenstapel konventioneller 60-Watt-Birnen. Der findige Marktleiter hatte sie in einer Auslage entlang unserer Fahrt ins Leuchtenparadies platziert – zum Sonderpreis. „Ach nee“, meinte ich. „Es gibt doch jetzt diese neuen Birnen. Die  sind viel umweltfreundlicher und im Verbrauch auch günstiger.“ Meine Freundin legte den labbrigen Pappkubus zurück, denn umweltfreundlich sein ist gerade gesellschaftliche Pflicht und günstig immer gut.

In der Abteilung „Leuchttmittel“ angekommen erstarrten wir vor Reizüberflutung: Millionen Legionen gläserner Formen strahlten uns farbenfroh von ihren Regalplätzen an. „Kauf mich“, raunte die ‚Concentra Reflektor 40 W‘. „Nein, nimm mich“, insistierte die Energiesparlampe ‚Duluxstar Minitwist 11 W‘. Als ich versuchte, ihrem gewundenen Körper mit meinen Augen zu folgen, wurde mir schwindelig. Doch da kreischte auch schon die LED ‚Parathom Classic B 0,5 W‘: „Ich brenne länger als alle anderen zusammen!!!“

„Jaja, die ‚Parathom‘!“ riss mich eine Stimme aus meiner Erstarrung. „Wechselt die Farbe, ist aber nicht dimmbar.“ Verwirrt drehte ich mich um. Eine Frau, ungefähr in den Vierzigern, hatte sich herangeschlichen. Ich schaute sie fragend an. Die mitteilungsbedürftige Kundin missverstand den Blick völlig und legte nach: „Aber dafür hat die ‚Parathom‘ Effizienzklasse A und erreicht ihr Leuchtmaximum ohne Verzögerung.“

Die Qual der Wahl

„Leuchtmaximum?“, fragten meine Freundin und ich wie aus einem Mund. Bislang kannten wir die Glühbirne nur als binäres Wesen. An: hell. Aus: dunkel. Die Dame mit dem umfangreichen Glühbirnenwissen klärte uns auf: Viele Energiesparlampen bräuchten bis zu einer Minute, um ihre volle Helligkeit zu erreichen. Das wollten wir nicht. Meine Freundin griff zur ‚Parathom‘ – und zuckte plötzlich zurück, als hätte eine Kobra ihre Fänge in ihren Handrücken geschlagen. „Die kostet ja 13 Euro.“

„Jaja, Qualität hat ihren Preis“, sagte die Frau wie ich befand etwas zu oberlehrerhaft. „Aber günstiger geht es natürlich auch. Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, ob es eher warmes oder kaltes Licht sein soll?“

Unsere Augen wurden größer. Mein Blick wanderte durch die Regale auf der Suche nach Leuchtmitteln in Fragezeichenform. „Na, Glühbirnenlicht halt“, sagte meine Freundin schließlich. Die Frau rümpfte hörbar die Nase. Sie hatte es offenbar mit zwei Glühbirnenbanausen zu tun. Der anschließende Vortrag zu Lumenstärke, Lichtempfinden und Stromverbrauch flog zu einem meiner Ohren hinein, zum anderen hinaus. Aber ich blieb höflich: Nach jedem Satz nickte ich einmal Interesse heuchelnd.

„Schau mal hier“, rief meine Freundin nach schier endlosen Vortragsminuten. Sie hatte die Ablenkung genutzt, um auf eigene Faust in den Regalen zu stöbern. Und was ich da erblickte, sah einer guten alten Glühbirne fast ähnlich. Die gleiche bauchige Form, keine seltsamen Mätzchen mit der Oberfläche – und auch der Preis erschien uns mit vier Euro jetzt sehr günstig. Ohne es zu wollen, reckte sich meine rechte Faust in Siegerpose gen Decke.

60-Watt wins!

„Ja, die ‚Eco Classic A 28 W'“, erkannte die Dame treffsicher. „Halogen. Aber immer noch ein ganz schöner Stromfresser. Halogenlampen sollen in ein paar Jahre ja auch von der EU verboten werden. Ich würde Ihnen ja eher zur…“ „Egal“, hörte ich mich rufen, während meine Freundin und ich schon um die Ecke gebogen waren. „Die ist super. Und danke nochmal!“

Auf dem Weg zur Kasse atmete ich erleichtert aus, als mich meine Freundin plötzlich in die Seite stupste: „Duuu, hier auf der Packung steht, dass 28 Watt Halogen so hell sind wie 40 Watt normal. Ist das nicht etwas dunkel?“  Ich raunte etwas von gemütlich und kuschelig und ob sie wirklich zurück zu der verrückten Glühbirnenfrau wolle.

Als wird die Rolltreppe herunter glitten, fielen unsere Blicke wieder auf den Restpostenstapel. Die halbe Strecke hielten wir durch, dann legte meine Freundin die „Eco Classic A 28 W“ diskret zu ihren Ahnen und griff sich eine stromfressende 60-Watt-Birne. „Zur Hölle mit der Umwelt“, sagte sie. Ich nickte. Und kaufte mir zur Vorsicht gleich zwei.

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